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Branchenbrief Health Care Logistik, Ausgabe 6, August 2016
Auslieferung von Standard-Hilfsmitteln: Welche Qualifikation ist gefragt?
Mit dem Thema Auslieferung von Standard-Hilfsmitteln per Paketdienst wird im heutigen Newsletter eine Legende der Gesundheitsbranche unter die Lupe genommen und letzten Endes wohl zu Grabe getragen.
Hintergrund: Noch immer glauben viele Verantwortliche, vor allem in den Sanitätshäusern, Standard-Hilfsmittel müssten vom geschulten Fachpersonal ausgeliefert werden, um diese anschließend dann überhaupt mit den Krankenkassen abrechnen zu können. „Hier sprechen wir aber von einem etwa zehn Jahre alten Sachstand, der so definitiv nicht mehr haltbar ist“, informiert Health Care Logistik-Experte Olaf Glowacz die interessierte Öffentlichkeit. Er berichtet weiter: „Besonders die Inhaber und Betreiber alt eingesessener Häuser setzen die Zustellung eines Standard-Hilfsmittels per Paketdienst gerne einem Kassenbetrug gleich.“ Falsch.
Kann-Bestimmung
Unstrittig ist hingegen, dass manche Hilfsmittel nur von einem nach §MPG geschulten Medizinprodukteberater ausgeliefert und dem Verbraucher erklärt werden dürfen. Dazu zertifizieren u.a. Hersteller, TÜV oder das Sanitätshaus die Berater direkt für die so genannte Einweisung, etwa im Bereich Pflegebetten. Aber ausschlaggebend für die ordnungsgemäße Zustellung der Standard-Hilfsmittel und spätere Abrechnung mit der Krankenkasse sei lediglich das, was in den Kassenverträgen stehe. Es handele sich um eine Kann- und keine Muss-Bestimmung, so Glowacz. In vielen Kassenkontrakten fände sich inzwischen ein Passus, der die Abgabe bestimmter Hilfsmittel beim Verbraucher via Post oder Paketdienst explizit erlaube, verrät der Potsdamer. Folgende Hilfsmittel können demnach sehr wohl mit einem Paketdienst geliefert werden:
- Rollator
- Badewannenlifter
- Toilettenstuhl
- Badewannendrehsitz
- Haltegriffe
Einhergehend damit sei dann natürlich auch die elektronische Unterschrift für diese Hilfsmittel zulässig. Unter den Kassen, die solche Lieferungen erlaubten, befänden sich sowohl große und mitgliederstarke Krankenkassen ebenso wie kleinere, unbekanntere Krankenversicherer.
Durchaus kontrovers
Trotz der aktuellen Situation bleiben dennoch viele Branchenangehörige bei ihrer „bewährten“ Meinung, Rollatoren und Badewannenlifter etwa müssten weiterhin vom geschulten Fachpersonal ausgeliefert und vor Ort beim Kunden erklärt werden. Olaf Glowacz entgegnet diesen Kritikern der modernen, neuen Logistik: „Ein Rollator ist eine Mobilisierungshilfe. Ich gehe also davon aus, dass jeder, der damit umgehen kann, auch in der Lage ist, die wenige Handgriffe für dessen Aufbau vorzunehmen. Oder was macht ein Betroffener, wenn sich auf der Straße plötzlich mal die Griffjustierung lockert? Dann muss er doch auch fähig sein, diese wieder in der richtigen Höhe festzustellen. Beim Badewannenlifter wird die Sache sogar noch klarer, denn das Hilfsmittel ist eigentlich gar nicht für den Pflegebedürftigen selbst gedacht, sondern eher für die Fachkräfte, die ihn pflegen. Und die sollten zu 100 Prozent die richtige Handhabung kennen.“
Blick in die nahe Zukunft
Olaf Glowacz prophezeit: „Künftig werden viele Sanitätshäuser die Bestellung, die Lieferung und die gesamte logistische Abwicklung mit den Kassen an externe Dienstleister delegieren und sich auf ihre Kernkompetenz wie Geschäftsführung und Beratung konzentrieren.“ Bereits im September dieses Jahres werden der Experte und seine Partner mit www.medzon.de eine solche Fachlösung starten, die die gesamte Branche nachhaltig verändern und Vorteile für alle Beteiligten bieten wird. So kann dadurch beispielsweise ein kleines Sanitätshaus in München künftig sämtliche Standard-Hilfsmittel in Berlin, Hamburg oder jeder anderen deutschen Stadt ausliefern. Außerdem ergibt sich unterm Strich sogar ein höherer Gewinn als bisher. Für Ängstliche lässt sich bei Bedarf natürlich auch die Auslieferung durch einen zertifizierten Medizinprodukteberater kostenpflichtig hinzubuchen.
Fazit: Auch die Auslieferung durch einen Medizinprodukteberater nach §MPG garantiert nicht den sinnvollen Einsatz eines Hilfsmittel. Warum also sollten Standard-Hilfsmittel nicht künftig mehrheitlich per Paketdienst zugestellt werden, zumal alle Beteiligten dadurch Vorteile genießen?